5 VOR 5

Fünf fünfminütige Impulse in coronalen Zeiten.

FÜNF VOR FÜNF – DIE LANGE STRECKE

Zum Geleit:

FÜNF VOR FÜNF PUNKT EINS .

»Die Lage ist ernst. Nehmen Sie sie auch ernst.«
O-Ton Collage

Im Rahmen der Maßgaben zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus kommt dem medial vermittelten gesprochenen Wort besondere Aufmerksamkeit zu. Mit diesem verschafft man sich Gehör, initiiert Debatten und markiert Macht. Dem sachlichen, eher nüchternen bis fürsorgenden Duktus der Kanzlerin steht zum Beispiel der Skandal und Kontroverse auslösende Ton eines Boris Palmer gegenüber. Die Collage aus O-Tönen seit Beginn der Corona-Pandemie bildet einen Text- und Klangteppich, der die Entwicklung und aktuelle Corona-Debatte in konzentrierter Form abbildet und in dieser Konzentration ein Schlaglicht auf die Debatte um den derzeitigen Ausnahmezustand gibt.

FÜNF VOR FÜNF PUNKT ZWEI . .

»Nicht eine Pestilenz je war so voll Verderben, so scheußlich graus gewesen.«
»Die Maske des roten Todes« (1842) von Edgar Allan Poe

Klassiker der Weltliteratur wie »Die Pest« (1947) von Albert Camus oder »Das Dekameron« (1348 – 1353) von Giovanni Boccaccio erzählen – auch wenn sie verschiedener Jahrhunderte entstammen – frappierend aktuell von den Auswirkungen einer Seuche auf den Alltag der Menschen: das Absolutwerden der Gegenwart, die Unterscheidung zwischen einem Wir und den Anderen, das Sichtbarwerden sozialer Ungleichheit. Weniger zum Kanon der »Pest-Literatur« gehört die Arabeske »Die Maske des Roten Todes« (1842) von Edgar Allan Poe. Im Mittelpunkt dieser Erzählung steht Fürst Prospero, der dem »roten Tod« glaubt fliehen zu können, indem er sich auf seine Ländereien zurückzieht und mit illustren Gästen einen rauschen Maskenball feiert. Doch der »rote Tod« macht an seinen Toren nicht halt. Düster endet die Arabeske mit der »grenzenlosen Herrschaft« des »roten Todes« über allem.

FÜNF VOR FÜNF PUNKT DREI : .

Gut gegen böse?
Eine theologische Replik

Naturkatastrophen, Seuchen, Kriege und universelle Krisen veranlassten die Menschen immer schon zu existentiellen Infragestellungen und Interpretationen. Apokalyptische und utopische Vorstellungen reagieren genauso wie zeitgenössische Science-Fiction Entwürfe und Verschwörungstheorien auf entsprechende Entwicklungen und Erfahrungen, um eine andere, zukünftige Welt auszumalen. Diese Vorstellungen gehen oft von dualistischen Bildern aus, in denen das Gute gegen das Bösen kämpft.

Die gegenwärtige Corona-Pandemie offenbart eine große Phantasielosigkeit der globalen Weltgemeinschaft im Verstehen dessen, was passiert und wohin eine zukünftige Entwicklung sinnvoller Weise gehen sollte.

FÜNF VOR FÜNF PUNKT VIER : :

»Trust D.E. oder Die Geschichte vom Untergang Europas«
(1925) von Ilja Ehrenburg

»Zu seinen Füßen lag ein rostiges Schild. Jens Boot las: EUROPA. Vermutlich hatte es einer Versicherungsgesellschaft oder einem drittklassigen Hotel gehört. Doch für Jens war es der Name seiner Geliebten. Durch die Ödnis rennend, brüllte er: Europa! Europa! Zu seinen Häuptern flammte glutrot der Abendhimmel. So weit das Auge reichte, war wüste Wildnis.« So endet die groteske Zukunftsvision Ehrenburgs mit gnadenloser Konsequenz. »Ich möchte immer eine Sache sezieren, zeigen, was in ihr das Wichtigste ist«, schreibt er zwischen zwei Weltkriegen und vor dem Durchbruch des globalisierten Kapitalismus. Der vermeintliche Protagonist Jens Boot ist nur ein zum Untergang verdammter ausführender unsichtbarer Herrscher der mächtigsten Milliardäre; er ist ein oberflächlicher, verlorener, suchender und enttäuschter Mensch.

Nicht Jens Boot ist die Triebfeder der Dramen und Katastrophen. »Etwas«, das gradliniger und stumpfsinniger ist, steht hinter ihm. Das ist der allmächtige Trust des Kapitalismus. Ein Trust, wenngleich von ihm selbst erdacht, bringt die kapitalistische Maschinerie in Aktion, bleibt dabei aber antlitzlos. Diese Maschinerie ziehe es vor, so Ehrenburg, ihren Raubtierrachen zu verbergen und mit den Talenten ergebener Manager zu operieren.

FÜNF VOR FÜNF PUNKT FÜNF : . :

Wie viel Staat im Ausnahmezustand? Ein Blick nach Lateinamerika

Eine Krise wie die Corona-Pandemie stellt die Frage nach der Macht, Stärke und dem Funktionieren des Staates und der Staatsform. Wie werden die massiven Eingriffe in die Grundrechte kommuniziert? Wie funktioniert das Gesundheitssystem, wie das Sozialsystem? Was passiert, wenn der Staat nicht handelt (handeln kann oder will)? In den Favelas in Rio de Janeiro verhängten seit Ausbruch des Coronavirus die Bosse der Drogengangs die Ausgangssperren und sorgen für deren Einhaltung. In Mexiko inszenieren sich die Kartelle als Helfer in der Not und verteilen Lebensmittelpakete mit dem Aufdruck des Konterfeis der Drogenbosse.

Idee & Realisation:

Mit Bildern von Birgit Pardun: -> https://birgit-pardun-kunst.jimdofree.com